Sowohl als Kindergartenkind, als Ministrant und später als Pfarrgemeinderat hatte ich viel mit den Schwestern der Lentinger Schwesternstation zu tun. Deshalb möchte ich deren Jahrzehnte lange Schaffenszeit in unserem Ort dokumentieren.

Lenting um 1925 ist kaum vergleichbar mit der heutigen Kommune. Der Ort war überwiegend von der Landwirtschaft bestimmt und nur wenige gingen nach Ingolstadt ins „Lawadore“ arbeiten. Die anderen verdienten ihr Einkommen im Handwerk oder in der Lentinger Ziegelei oder im Sägewerk. Es herrschte hier wie im ganzen Land wirtschaftliche Not. Wie es nun der Pfarrei mit einfachen Mitteln gelang, mit dem Schwesternhaus soziale Einrichtungen zu schaffen und die Not in Lenting zu lindern, will ich hier erläutern.

 

Der Bau der Schwesternstation 1927

Schon 1920 wurde in Lenting eine Krankenpflegestation mit zwei Krankenschwestern des Dritten Ordens aus Nymphenburg eingerichtet, sie waren privat untergebracht.

 

Im Jahr 1925 übernahm der Seelsorger Joseph Guttenberger die katholische Pfarrei Lenting, zu der ab 1926 auch die gesamte Gemeinde Hepberg gehörte. Ungeachtet der bescheidenen finanziellen Möglichkeiten erweiterte der rührige Geistliche bereits 1926 Pfarrkirche und Friedhof, baute ein Leichenhaus und ließ an der Wettstettener Straße ein Schwesternheim mit Kindergarten, Krankenstation und Nähschule errichten.

 

1927 schrieb Pfarrer Guttenberger an die Generaloberin vom Kloster Oberzell bei Würzburg mit der Bitte um zwei Schwestern für den neuerbauten Kindergarten Lenting. Er klagte über die Arbeitsmoral der Drittordensschwestern. Benötigt werden eine Schwester für Krankenpflege und eine für Kindergarten und Handarbeitsschule.

Nach Kündigung der Nymphenburger Schwestern durch die Kirchenverwaltung zogen 1928 die ersten zwei Schwestern aus Würzburg im Lentinger Schwesterheim ein:  Schwester Bonifazia als Krankenschwester und Schwester Hadeloga als Kinderschwester und Organistin.

Die Kinderbewahranstalt

Meist betreute nur eine Schwester alle Kinder, da die zweite sich um die Krankenpflege kümmerte. Später wirkten auch schulentlassene Mädchen als Hilfskräfte mit.

Nachmittags war Schlafpause auf Klappbetten für Kleinkinder und die größeren ruhten im Sitzen mit verschränkten Armen auf einem Kopfkissen am Tisch.

Es gab nur Vor- und Nachmittagsbetreuung, Mittagessen war zu Hause.  Beten wurde intensiv gelernt, im Mittelpunkt standen: Selbstbeschäftigung, Gehorsam, religiöse Erziehung.

 

Kindergartengruppe 1933 mit Pfarrer Guttenberger, Sr. Justiniana und Sr. Hadeloga 

Foto: Seitz

 

Die wichtigsten Spielgeräte warenDas blaue Karussell in der Spielhalle, der Sandkasten unter dem Ahornbaum, mit rohgesägten Balken eingefasst, Balkenabschnitte waren „Autos“.  Im Innenbereich gab es sehr bescheidene selbstgebastelte Spielzeuge, z.B. Kasperl, Fischangeln, Puppen usw.

Karussell aus den 1930er Jahren,

war bis 1969 in Betrieb. Bild grafisch ergänzt.

Foto: A. Müller

Die Krankenpflege

Die Situation von 1920: In Lenting gab es keinen Arzt, nur eine Hebamme (Frau Händl). Nahegelegene Ärzte gab es nur in Kösching: Dr. Schöning, Dr. Wachter, Dr. Roth sowie den Zahnarzt Dr. Buchner. Erst 1968 siedelte sich mit Dr. Erich Welinsky der erste Arzt in Lenting an.

Seit 1920 waren zwei Schwestern des 3. Ordens aus Nymphenburg/München als Krankenpflegerinnen tätig, ab 1929 eine Krankenschwester aus Oberzell, ab 1930 dann zwei Schwestern.

Ausrüstung der Schwestern: Fahrrad und Sanitätstasche. Gebrauch im Sommer und Winter. Sie waren auch für Hepberg und Oberhaunstadt zuständig sowie  für Tag- und Nachtpflege (1929 bereits 16 Nachtpflegen).

 

Die Ambulanz: Ein „Verbandszimmer“, etwa 8 Quadratmeter groß.

Die Ausstattung: Verbandszeug, Jod und Zugsalbe, Spalttabletten, Tütchen mit in Wasser auflösbarem Schmerzpulver, Fieberthermometer.

Trotz der bescheidenen Möglichkeiten waren die Schwestern eine große Hilfe für die Kranken und Alten am Ort und genossen hohe Achtung für ihre Arbeit.

 

 

Die Nähschule    

war ein Raum im 1. Stock der Schwesternstation. In der Mitte stand ein großer Schneidertisch, außen herum waren die mit Tretwerk angetriebenen Nähmaschinen angeordnet. Nähschwestern waren ausgebildete Schneiderinnen.

Junge Mädchen und Frauen lernten das Nähen und fertigten Kleidungsstücke für den Eigenbedarf. Ein Zuschnitt nach Musterbogen durch die Schwester kostete 20 Pfennig.

In den Wintermonaten nutzten auch gestandene Hausfrauen die Möglichkeit, Kleider für die Familie zu fertigen. Auch Frauen aus den umliegenden Ortschaften kamen in die Nähschule.

 

Die Pfarrbücherei    

Anfang der 1930er Jahre wurde die Pfarrbücherei in der Schwesternstation gegründet.  Sie war bis zu den Nachkriegsjahren in Lenting die einzige öffentliche Möglichkeit, sich Bücher auszuleihen.

Bibliothekarin: die Kindergartenschwester mit Hilfe von Mädchen der oberen Schulklassen

Ausleihe: am Sonntag nach dem Hochamt oder vor der Nachmittagsandacht

Bestand: Einige hundert Bücher mit christlich geprägtem Inhalt, davon ca.100 Heiligenbände

 

Der Orgel- und Kirchendienst

 

   Organistin Schwester Calasanza um 1956 mit Kirchenchor          Foto:  J. Mirlach

Die Orgelschwester musste alle Messen, die Hochämter an Festtagen mit Orchesterverstärkung,  Andachten und Chorproben begleiten.
Die Krankenschwester verrichtete meist werktags den Mesnerdienst in der Kirche.
Die Reinigung der gesamten liturgische Wäsche war ebenfalls Aufgabe der Schwestern.

 

Der Abschied 1969

August 1969:  Die Oberzeller Schwestern verlassen Lenting. Die bis zuletzt verbliebenen Schwestern Diethilde, Paterna und Calasanza kehren in ihr Mutterhaus zurück.

Joseph Vogl schreibt am 29. Mai 1969 im DK: „Die ehrwürdigen Schwestern Paterna und Calasanza, die 26 bzw. 20 Jahre in Lenting wirkten, werden nun mit ihrer ehrwürdigen Oberin, Schwester Diethilde, vorerst in das Mutterhaus zu Würzburg-Oberzell zurückkehren. Durch die aufopferungsvolle Arbeit, die in Lenting von den Schwestern in treuer Pflichterfüllung geleistet worden ist, hat sich die Kongregation der Dienerinnen der heiligen Kindheit Jesu bleibende Verdienste um die Gemeinde Lenting erworben.“

Das Gebäude der ehemaligen Schwesternstation wurde als Jugendheim „Teehaferl“ bis zum Umzug in das 1998 neu gebaute Pfarrheim genutzt. 1972 wurde der neue Kindergarten St. Nikolaus am Kapellenweg durch Bischof Alois Brems eingeweiht, Pfarrer war Adalbert Regner.

Anton Müller