Ortsgeschichte von Lenting

 Die bajuwarische Dorfgründung

 

Auf Lentinger Gebiet gab es schon seit der Jungsteinzeit einzelne Siedlungsplätze, das beweisen Bodenfunde aus dem Ortskern und der Lentinger Flur. Einige Fundstücke sind im Ingolstädter Stadtmuseum (Raum 5 und 8) und im 1.Stock unseres Rathauses ausgestellt.

Erst zu Beginn des Mittelalters, also zwischen 500 und 700 n.Chr. kam es im Zusammenhang mit der bajuwarischen Besiedlung des Donauraumes zur Dorfgründung von Lenting.   An den Ortsnamen auf -ing oder -ingen erkennt man, wo bajuwarische Sippen mit ihren Anführern sich damals niederließen. Auch Reihengräberfunde im Bereich der Ganghoferstraße und Bahnhofstraße führen auf die Spur der Bajuwaren, die ihre Friedhöfe immer in der Nähe ihrer Siedlung anlegten. Das abgebildete bajuwarische Kurzschwert wurde 1975 neben anderen Grabbeigaben beim Kelleraushub an der Ganghoferstraße gefunden. Der ursprüngliche Griff am rechten Ende ist verwittert.

Bajuwarisches Sax. Besitzer: Rul Kipfelsberger

Lenting im Mittelalter

 

„Burgstall des hohen Mittelalters“ schreibt das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege zum Lentinger Kapellenberg (www.blfd.bayern.de). Das heißt, im hohen Mittelalter etwa 1000 – 1300 befand sich auf dem höchsten Punkt Lentings eine Burg. 1975 wurde von Lehrer Georg Pfeilschifter mit Unterstützung der Archäologen des Landesamtes für Denkmalpflege auf dem Plateau der Kapelle neben dem  Kindergarten St. Nikolaus eine Schürfgrabung vorgenommen. Dabei wurden noch vorhandene Reste einer Burgmauer und Tonscherben gefunden und amtlich bestätigt.

1231 – Erst urkundliche Nennung

Seit ihrem Aufstieg zu Herzögen 1180 dehnten die Wittelsbacher ihren Besitz kontinuierlich aus. So erbten sie 1204 auch die Grafschaft Vohburg, aus der sie ihr Amt Vohburg schufen. 1231 entstand das älteste wittelsbachische Herzogsurbar (Besitzverzeichnis). Darin erscheint Lenting erstmals in einer schriftlichen Urkunde. Die jährlichen Einnahmen (Gilt) des Herzogs aus 15 Anwesen in Lenting werden darin genau aufgezählt. Hier der Anfang dieser Urkunde:

In dem ampte ze voburch.    Lentingen, ain hofe, der giltet siben mvtte waitzen vnd sehs mvtte hebern, ain halben mvtte bonen, driv swin, div aines halben pfvndes wert sin, vier gense, ahte hvnre. Der ander hof in dem selben dorf, der giltet alse vil.  … “

„In dem Amt Vohburg.  Lentingen, ein Hof, der gibt sieben Mutte Weizen und sechs Mutte Haber, einen halben Mutte Bohnen, drei Schweine, die ein halbes Pfund wert sind, vier Gänse, acht Hühner. Der andere Hof in dem selben Dorf, der gibt ebenso viel… " Quelle: Monumenta Boica, Bd.36a, S.93 ff.

Hofmark Lenting ab 1305

Nach dem Aussterben der Hirschberger Grafen 1305 verlieh das Wittelsbacher Landgericht Vohburg die Dorfherrschaft in Lenting, die sog. Hofmark, an wechselnde Adelsfamilien, die meist im Lentinger Wasserschloss wohnten. Ein Hofmarksherr übte die niedere Gerichtsbarkeit aus, er konnte über seine Untertanen zu Gericht sitzen und hatte die Polizeigewalt in seinem Hofmarksbereich. Außerdem nahm er Verbriefungen notarieller Art vor, z.B. einen Übergabevertrag, und er musterte die Männer für den Kriegsdienst.

 Holzrechte 1416

 Vorst gelt zu Kesching“ – so hieß 1416 ein Urbar des Ingolstädter Herzogs Ludwig, das die Geld- und Naturalleistungen aller Lentinger Bauern aufzählte, die sie für ihre jährliche Holzfahrt in den wittelsbachischen Köschinger Forst zu zahlen hatten. Mit dieser Quelle haben wir das älteste Häuserverzeichnis von Lenting mit den Namen der damaligen Bauern. Es werden insgesamt 20 Lentinger Höfe mit 11 Grundherren genannt. Die meisten Höfe gehörten dem Landgericht Vohburg und den Ellenbrunner Hofmarksherren, daneben tauchen 6 kirchliche und 3 adlige Grundherrn auf. Diese Herrschaftsaufteilung in einer sogenannten offenen Hofmark blieb typisch für die Lentinger Dorfgeschichte vor 1800.

 

Lenting in der Neuzeit

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Um 1560 entstand die nebenstehende Zeichnung des Kartographen Philipp Apian vom Wasserschloss Lenting. Herzog Albrecht hatte die kartografische Erfassung Bayerns in Auftrag gegeben. Man sieht einen burgähnlichen Schlossbau, vergleichbar mit dem Neuen Schloss Ingolstadt, das zwischen 1400 und 1500 erbaut wurde.

Die Freiherren von Lichtenau haben das Schloss 1677 umgebaut, so wie es im Kupferstich von Michael Wening von 1701 zu sehen ist. Im Österreichischen Erbfolgekrieg 1743 wurde das Wasserschloss zerstört, jedoch 1746 durch den Baron Müller von Gnadenegg mit zwei barocken Schlossflügeln wieder aufgebaut. Aus dieser Zeit ist der nördliche Flügel bis heute erhalten.

1563 wurde in Lenting auch der erste Lehrer und Mesner eingesetzt, sein Name war Michael Fielsack. Ein Schulmeister musste damals alle Schulkinder des Dorfes allein unterrichten und wurde vom Pfarrer kontrolliert. 1591 wurde neben dem Kirchenfriedhof das erste Schulhaus errichtet, das gleichzeitig Lehrerwohnung war.

In der Napoleonzeit um 1800 sind auch die bayerischen Dörfer vom politischen Wandel betroffen; Lenting wechselte vom wittelsbachischen Pfleggericht Vohburg zum Landgericht Ingolstadt, gleichzeitig endete mit dem Aussterben der Edlen von Stubenrauch auch die Lentinger Hofmarksgeschichte.

Im Zuge der flächendeckenden staatlichen Vermessung Bayerns entstand 1813 die erste genaue Katasterkarte von Lenting mit allen Grundstücken und Häusern (Abbildung). Zum ersten Mal wurden damit auch Hausnummern eingeführt.

www.bayerische-landesbibliothek-online.de/ortsblaetter

Auf diesem Ortsblatt von 1813 endet das bewohnte Dorfgebiet im Osten beim Wasserschloss (Hausnr.65), im Westen bei der heutigen Hirschbergstraße und im Norden beim Kapellenberg. Lenting war 1813 ein Bauerndorf mit 65 Hausnummern und 310 Einwohnern.

Der Ingolstädter Landrichter Joseph Gerstner hat 1837 die Fakten über die Marktorte und Dörfer des Landgerichts Ingolstadt zu Papier gebracht, und zwar unter dem Titel „Geschichtstafel und Statistik des Königlichen Landgerichts Ingolstadt im Regenkreise. Ingolstadt 1837“. Darin liest man, dass Lenting 386 Einwohner in 70 Wohnhäusern hat, die Einwohnerzahl war also seit 1810 um fast 25 % gewachsen.

1865 entstand eine Feldkapelle auf dem höchsten Punkt Lentings an Stelle der früheren Linde. Dorthin ging die jährliche Wendelinprozession mit Segnung der Haustiere. Die Straße davor heißt heute Kapellenweg.

1870 wurde auf Anregung von Lehrer Morshäuser die Freiwillige Feuerwehr Lenting gegründet. Damit ging Lenting den Nachbargemeinden mit gutem Beispiel voran, bei denen sie schon kurz nach der Gründung Brände löschen musste.

 

Der Wandel ab 1900

 

Auf dieser Postkarte von 1920 sieht man in der Mitte den Schornstein der Ziegelei, links die Kirche vor der Erweiterung, daneben die Schule. Mit dem Bau der Dampfziegelei am Nordrand des Ortes begann 1900 die Industrialisierung auch in Lenting, 1904 kam ein dampfgetriebenes Sägewerk in Bahnhofsnähe dazu.

1904 wurde die Lokalbahnlinie Ingolstadt–Riedenburg mit dem Bahnhof Lenting eröffnet. Das brachte mehr Arbeiter ins Dorf, aber auch die Mobilität zu den Arbeitsplätzen und Geschäften in Ingolstadt und darüber hinaus. Auf der Bahnlinie lief der Personenverkehr bis 1972, heute ist die ehemalige Bahnstrecke ein beliebter Radweg.

Eine Folge des Wandels war auch die Gründung einer 3. Gastwirtschaft. 1905 hat der Brauereibesitzer Josef Ponschab den Haberbauernhof gekauft und dort das Gasthaus zur Hofmark eingerichtet. 1911 erwarb Anton Maier aus Hepberg das Gasthaus, daher kam der Hausname „Maierwirt“ auf. Um 1980 erstellte Herrnbräu den Neubau des Gasthofs, wie wir ihn heute sehen.

1925 begann die Erweiterung der Pfarrkirche St. Nikolaus auf Betreiben des Pfarrers Joseph Guttenberger. Nach Plänen des Münchner Architekten Haindl wurden zwei Seitenschiffe angebaut und der gesamte Kirchenbau verlängert. Gleichzeitig wurde auch der Friedhof vergrößert und darin eine Leichenhalle errichtet.

An der Wettstettener Straße entstand 1927 die ersteKinderbewahranstalt“, betreut bis 1969 von den Schwestern des Klosters Oberzell bei Würzburg. Erst 1972 erfolgte der Neubau des heutigen Kindergartens St. Nikolaus im ehemaligen Steinbruch am Kapellenweg, 1992 kam der zweite Kindergarten St. Josef dazu.

Schon 1932 baute man die Umgehungsstraße Ingolstädter und Nürnberger Straße.  Vorher musste der gesamte Durchgangsverkehr über die Alte Landstraße laufen, wo es an der steilen Stelle beim Lukaswirt oft zu Unfällen kam. Der Bau der Autobahn 1936/38 durch das Ortsgebiet brachte Lenting weitere Vorteile: Für viele Lentinger gab es dadurch Arbeit und Verdienst, auch für Frauen in der Autobahnkantine; und im Osten entstand ein Gewerbegebiet, von dem Lenting bis heute profitiert.

 

Die Zeit nach 1945   

Nach 1945 fanden einige hundert Flüchtlinge und Vertriebene in Lenting eine neue Heimat. An der Aussegnungshalle im Gemeindefriedhof erinnern vier Wappen an ihre verlorenen Heimatgebiete, nämlich das Sudetenland, Schlesien, Banat (Ungarndeutsche) und Pommern. Nach anfänglichen Problemen mit der Wohnraumversorgung haben sich die Neubürger vor allem im Ziegeleiviertel, Dichterviertel und am Gänsberg angesiedelt und im Ort integriert.

 1952 erhielten die Lentinger endlich Wasserleitungen anstatt der Dorfbrunnen. Ab 1961 folgte dann auch schrittweise die Kanalisation. 1956 wurde der Manterinbach begradigt und die Bachufer befestigt. Seitdem mussten die Bachanwohner keine Überschwemmungen mehr erleiden.

 

1958/59 entstand die dringend benötigte neue Volksschule im Steinbruchgebiet „Am Gstocket“ (Foto). Initiator dieser weitsichtigen Entscheidung war Gründungsrektor Ernst Rauwolf. Es war nun genügend Platz vorhanden für mehrere Erweiterungen bis 1977 einschließlich einer Dreifachturnhalle. Die Entwicklung führte zu einer Mittelpunktschule mit Schulverband auch für Schüler aus den umliegenden Orten.

1964 bis 1967 wurde die 464 km lange Transalpine Pipeline (TAL) zwischen dem Adriahafen Triest und Bayern gebaut. Eine der wichtigsten Entscheidungen des Gemeinderats Lenting war es, der TAL die Grundstücke für die Kopfstation zur Verfügung zu stellen. Dies brachte Lenting nicht nur hohe Steuereinnahmen, sondern auch die Ansiedlung von Industriebetrieben im östlichen Gemeindegebiet.

Mitte der 60er Jahre baute die Auto Union für ihre Arbeiter im Lentinger Norden elf Wohnblöcke für etwa 800 Bewohner. In der Nachbarschaft dazu entstand 1966 „Am Schanzl“ das Evangelische Gemeindezentrum mit Kirchenraum.

Die Nähe zu Ingolstadt ließ die Einwohnerzahl Lentings ständig anwachsen. Dies führte zur Errichtung  weiterer Bebauungsgebiete in Lentings Norden und Westen. So vollzog sich seit den 1960er Jahren der Übergang vom Dorf zur stadtnahen großen Wohngemeinde.

Lentings Einwohnerentwicklung:

Jahr:

Einwohner Lentings:

Quelle:

1813

310

Urkataster

1836

386

Landrichter Gerstner

1875

471

Volkszählung

1925

684

s.o.

1939

835

s.o.

1950

1477

s.o.

1970

2802

s.o.

1987

3826

s.o.

2011

4654

Zensus

1972: Bei der Gebietsreform in Bayern wurde der Landkreis Ingolstadt aufgelöst und Lenting kam zum vergrößerten Landkreis Eichstätt. 1974 erreichte Lenting 3000 Einwohner und gewann den Titel „Schönstes Dorf von Oberbayern“.

Bis 1984 war die Gemeindeverwaltung im alten Schulhaus neben der Kirche untergebracht. Die Räume reichten schon länger nicht mehr aus, daher baute sich die Gemeinde 1984 gegenüber der Schule ein neues Rathaus mit Gemeindebücherei. Die alten Schul- und Verwaltungsgebäude neben der Kirche wurden 1985 abgerissen.

1991 entstanden auf dem Gelände „Am Bergfürst“ neben dem Volksfestplatz die Neubauten des Feuerwehrhauses, des Bauhofs und der Vereinsgebäude. 2018 errichtete der Landkreis Eichstätt auf dem ehemaligen Bahnhofsgelände in Lenting sein Dienstleistungszentrum für das östliche Kreisgebiet, das die bisherige Zweigstelle in Ingolstadt ersetzte.

Autoren: W. Baumgärtner, G. Pfeilschifter, A. Müller, W. Jakob