Evangelisch in Lenting
Die Zeit vor 1966
Wie viele oberbayerische Dörfer hatte auch Lenting bis um 1900 eine rein katholische Bevölkerung. Bei der Volkszählung des Königreichs Bayern 1871 gab es in Lenting und Hepberg keine evangelischen Einwohner, in Kösching nur fünf. Ab 1903 wohnte in Lenting die erste evangelische Familie, die des Wallmeisters Ewald. Nach 1945 sorgte dann der Zuzug von Heimatvertriebenen für eine deutliche Zunahme von evangelischen Mitbürgern. Sie wurden ab 1946 von der evangelischen Pfarrei St. Matthäus Ingolstadt versorgt. Für die nördlichen Diasporagemeinden gab es ab 1950 die neue Pfarrstelle Ingolstadt Nord. Evangelische Gottesdienste fanden in der Peterskirche Kösching statt, evangelischer Religionsunterricht in der Knabenschule Kösching.
Ab September 1954 gehörte Lenting mit Kösching und Hepberg zur Evangelischen Kirchengemeinde St. Lukas Ingolstadt und wurde von Pfarrer Hanskarl Müller betreut. Seit dem Bau der neuen Lentinger Schule 1958 konnten die evangelischen Gottesdienste im alten Schulhaus von Lenting gefeiert werden Und ab 1959 war auch Platz für den evangelischen Religionsunterricht in der neuen Schule. Der Ort für Taufen und Trauungen blieb aber die Lukaskirche in Ingolstadt.
1966 – 2017 Evangelisches Gemeindezentrum Lenting
Im Jahr 1964 wurde die evangelische Kirchengemeinde St. Paulus Ingolstadt gegründet und Lenting der neuen Gemeinde zugeordnet. Unter Pfarrer Horst Höß (1964-1972) wurde das evangelische Gemeindezentrum „Am Schanzl“ in Lenting gebaut und an Weihnachten 1966 eingeweiht. Lenting hatte damals etwa 250 evangelische Einwohner. Diese Montagekirche war bis zum September 2017 für mehr als 50 Jahre Heimat der evangelischen Christen in Lenting und Hepberg, obwohl sie als „Provisorium“ für höchsten 10 Jahre geplant war. Für die Köschinger fanden die evangelischen Gottesdienste in der Krankenhauskapelle und ab 2000 in der sog. Ladenkirche Kösching statt. Ab 1972 betreute Pfarrer Hanspeter Schamel die Diasporagemeinden von St. Paulus, dann die Pfarrer Winfrid Pidun. Dr. Markus Ambrosy, Bernd Feldner und Pfarrerin Stefanie Schmidt.
Neustart 2018 in Kösching
„Abschied von der Behelfskirche“ titelte der DONAUKURIER am 5.9.2017. Es entstand damals die Idee, ein neues Gemeindezentrum am Westrand von Kösching zu bauen. Drei Gründe gab es für den Umzug: Die alte Behelfskirche „Am Schanzl“ war marode geworden, das Bauland in Lenting war knapp und in Kösching wohnten 1100 Protestanten, in Lenting aber nur etwa 670. Unter großem Einsatz von Pfarrer Christoph Schürmann (Pfarrer seit 2011) wurde 2013-2018 die Dietrich-Bonhoeffer-Kirche mit Gemeindezentrum für Kösching, Hepberg und Lenting geplant und gebaut. Sie steht am Brunnhaptenweg 20 in Kösching. Am Pfingstmontag 2018 wurde sie mit einem Festgottesdienst durch Regionalbischof Hans Martin Weiß, Dekan Thomas Schwarz und Pfarrer Schürmann eingeweiht. Die Symbole der Kontinuität: Die Glocke und die Orgel der neuen Kirche stammen aus dem Gemeindezentrum in Lenting.
Im November 2020 wechselte Christoph Schürmann als Pfarrer nach Vohburg. Anschließend versorgte Pfarrerin Anja Raidel die evangelische Pfarrgemeinde. Ab September 2021 übernahm dann Pfarrer Dr. Oliver Heinrich die evangelische Pfarrstelle von Kösching, Hepberg und Lenting. Er wohnt mit seiner Familie schon seit 2008 in Kösching.
Autor: W. Baumgärtner
Quellen: Johann u. Brigitte Renner, Evangelische Kirchenchronik von St. Lukas Ingolstadt, Otto Frühmorgen IN: Kösching, Band II, Seite 273-275, Donaukurier 5.9.2017, 15.9.2021, Notizen von Pfarrer Christoph Schürmann
Anhang:
Auszug aus Mia Mays Kindheitserinnerungen an die Nachkriegszeit in Lenting:
„Mit der Flut von Menschen aus allen Gebieten kommen auch welche an, die nicht katholisch sind. Ich kenne keine Protestanten, aber ich weiß, sie gehen nicht in unsere Kirche, beten kein "Gegrüßt seist du Maria..", haben kein Weihwasser und beichten nicht im Beichtstuhl. Ihre Kinder gehen auch nicht in den Religionsunterricht, sondern halten sich dann im Hof auf. In meiner Klasse sind keine Protestantenkinder. Gott sei Dank, denn wie man so hört, darf man diesen Leuten und auch ihren Kindern nicht über den Weg trauen. Mama, Mutti und Tante haben keine Vorurteile, aber ich! Schon das Wort "Protestanten " hört sich sehr gefährlich an! Ich bin mit Mama und Tante unterwegs, als uns einige Leute entgegen kommen. Tante flüstert der Mama zu: "Das sind die Diepolds, das sind Protestanten.“ Ich erschrecke sichtlich und greife nach Mamas Hand. Aber ich bin auch neugierig. Wie diese gefährlichen Leute wohl ausschauen? Da muss man doch was merken! Schon sind die drei Diepolds in unserer Höhe und gehen vorbei. Es ist eine kleine, etwas rundliche Frau mit einem freundlichen Gesicht, ein älterer Mann mit langsamen Schritten und ein kleiner, schüchterner Bub, der vielleicht in Roberts Alter ist. Sie grüßen uns freundlich, sagen zwar nicht "Grüß Gott", sondern "Guten Tag". Das war es. Mama und Tante sagen: "Des san doch genau so Menschen wia mia (wie wir)!“ Meine Angst ist vorbei.“
(Mia May, Aus, Äpfel ,Amen! Band I, Mia die Feder, Seite 167 f.)